BFG zu Kryptowährungen: keine Abgabenhinterziehung bei unklarer Rechtslage
Tax News 5/2024
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Nicht offengelegte Gewinne aus Kryptomining und Tausch von Kryptowährungen in den Jahren 2013 und 2014 bewirken keine Abgabenhinterziehung. In Ermangelung von Richtlinien, Rechtsprechung und expliziter Regelung musste der Abgabepflichtige nicht von einer Steuerpflicht ausgehen (Bundesfinanzgericht 14.3.2024, RV/7100208/2024).
1. Sachverhalt: Bitcoins als Hobby
Im Jahr 2022 erstattete der Abgabepflichtige eine Selbstanzeige. Er beteiligte sich in den Jahren 2013 und 2014 in seinen privaten Räumlichkeiten am Mine-Pooling und erhielt dafür einen Anteil an „geschürften“ Bitcoins und Litecoins. Zudem tauschte er in untergeordnetem Ausmaß Bitcoins in andere Kryptowährungen um und schaffte die benötigte Hardware mit Bitcoins an. Der Abgabepflichtige betrieb das Mining von Kryptowährungen aus privater Neugier.
Nach eigenen Aussagen war ihm nicht bewusst, dass er die erhaltenen bzw. getauschten Kryptowährungen in seinen ESt-Erklärungen (2013, 2014) hätte deklarieren müssen. Dies erkannte er erst, als er sich in den Jahren 2017/2018 bei Überlegungen, Bitcoins in Euro zu tauschen, mit seinen Fragen an seine steuerliche Vertretung wandte.
Nach Ansicht des Finanzamts lagen hinsichtlich der Veranlagungsjahre 2013 und 2014 Einkünfte gemäß § 29 (Mining; Zufluss mit Übertragung auf Wallet) und § 31 Einkommensteuergesetz vor. Diese seien hinterzogen worden, weil eine Kenntnis über das grundsätzliche Bestehen einer Steuer- und Offenlegungspflicht angenommen werden könne. Steuerliches Spezialwissen sei nicht erforderlich. Schon aufgrund der Höhe der Einkünfte (bis zu EUR 14.000 pro Jahr) müsse der Abgabepflichtige von einer Steuerpflicht in Österreich ausgehen.
2. BFG-Entscheidung: kein Vorsatz nachweisbar
Die Verjährungsfrist beträgt bei der Einkommensteuer grundsätzlich fünf Jahre. Soweit eine Abgabe vorsätzlich hinterzogen ist, beträgt die Frist zehn Jahre (§ 207 Abs. 2 Bundesabgabenordnung). Laut BFG war die zehnjährige Verjährungsfrist mangels hinterzogener Abgaben nicht heranzuziehen. Dies begründete das Gericht im Wesentlichen wie folgt:
- Der Umstand der Erstattung einer Selbstanzeige per se lässt noch nicht auf Vorsatz schließen.
- Einschlägige Fachliteratur gibt es erst ab dem Jahr 2014/2015 (Zeitschriften, Kommentare).
- Erste Artikel in Tageszeitungen finden sich im Jahr 2017. Damit begann die öffentlich wahrnehmbare Diskussion über die Steuerpflicht bei „geschürften“ Kryptowährungen.
- Erst mit der gesetzlichen Regelung im Jahr 2022 war endgültig klar, wann Einnahmen aus dem Mining von Kryptowährungen zu versteuern sind.
Schlüssig erscheint die Argumentation des Abgabepflichtigen, wonach er sich erstmals über die Versteuerung seiner als „Hobby“ betriebenen Tätigkeit Gedanken machte, als er Bitcoins in Euro zu tauschen beabsichtigte (2017/2018). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er sich im Hinblick auf seine sonstige Berufstätigkeit von einem Steuerberater beraten und seine ESt-Erklärungen einreichen ließ.
Glaubwürdig erscheint dem BFG darüber hinaus das Vorbringen, hinsichtlich der Besteuerung von Kryptowährungen dem Irrtum erlegen zu sein, weder das Kryptomining noch der Tausch von Kryptowährungen im „Privatbereich“ sei steuerpflichtig. Denn eine öffentlich wahrnehmbare Diskussion über die Steuerpflicht von Kryptowährungen hatte in den Jahren 2013 und 2014 noch gar nicht stattgefunden. Auch dieser Irrtum schließt den Vorsatz aus.
Vor diesem Hintergrund kann dem Abgabepflichtigen nicht vorgeworfen werden, er hätte wissen müssen, dass er bereits zu jenem Zeitpunkt einen zu versteuernden Gewinn erzielte, in dem die Bitcoins auf sein Wallet übertragen wurden. Damals war nicht sicher, ob man Bitcoins tatsächlich zu den angegebenen Werten in eine gängige Währung eintauschen konnte; zudem war ein Eintausch in eine gängige Währung schwierig.
3. Fazit für die Praxis: kein Vorsatz, aber Vorsicht bei unklarer Rechtslage geboten
Fehlen BMF-Meinung, Rechtsprechung und Fachschrifttum – gleichsam im steuerlichen „Niemandsland“ – trifft den Steuerpflichtigen kein Vorwurf einer Abgabenhinterziehung. Die vorliegende Rechtsprechung zu Kryptowährungen ist auf vergleichbare Konstellationen bei unklarer Rechtslage übertragbar. Allerdings bedeutet sie keinen finanzstrafrechtlichen „Freibrief“, weil auch ein grob fahrlässiges Verhalten finanzstrafrechtlich geahndet werden kann. Ein solches könnte einzelfallbezogen im Unterlassen der Einholung von Informationen an geeigneter Stelle wie Finanzamt und Steuerberater erblickt werden.
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