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      Allgemeines /Einführung

      Ein Unternehmen ist dadurch gekennzeichnet, dass es mit der Absicht gegründet und betrieben wird, Gewinne zu erzielen – also Produkte, Dienstleistungen oder Rechte für den Markt bereitzustellen, deren Erlöse die Kosten der Geschäftstätigkeit übersteigen.

      Doch auch wenn Unternehmen grundsätzlich darauf ausgerichtet sind, Gewinne zu erzielen, gelingt es ihnen nicht immer, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen. Es liegt auf der Hand, dass ein Unternehmen zunächst in einen Markt investieren muss, um sich zu etablieren, sein Produkt bei potenziellen Kunden bekannt zu machen und eine ausreichende Nachfrage zu schaffen. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist Amazon, das aufgrund seiner Expansionsstrategie fast zehn Jahre von der Gründung im Jahr 1994 bis zum ersten vollen Jahresgewinn im Jahr 2003 brauchte. Andere Gründe für Verluste können beispielsweise veränderte Marktbedingungen oder internes Missmanagement sein. Folglich müssen Unternehmen im Allgemeinen rentabel werden (oder zumindest die Aussicht haben, in absehbarer Zeit rentabel zu werden), um auf dem Markt zu überleben. Unrentablen Unternehmen droht ein Ausscheiden aus dem Markt aufgrund von Überschuldung beziehungsweise Zahlungsunfähigkeit.

      Verrechnungspreisperspektive

      Im Fall von Unternehmensgruppen ist es jedoch möglich, dass ein einzelnes Unternehmen der Gruppe durch Kapitalzuführungen oder Garantien seiner Anteilseigner am Leben gehalten wird, obwohl dieses Unternehmen über einen längeren Zeitraum hinweg selbst keine Gewinne erwirtschaftet. Dies könnte zum Beispiel geschehen, um aus Konzernsicht eine Marke auf einem Markt zu fördern, die positive Spillover-Effekte auf andere Märkte hat, was bedeutet, dass der Konzern als Ganzes profitiert, während das betreffende Unternehmen Verluste macht. Aus Verrechnungspreissicht erscheint ein solcher Ansatz jedoch nicht nachvollziehbar, da er gegen den Fremdvergleichsgrundsatz verstößt: Kein unabhängiges Unternehmen würde dauerhaft Verluste akzeptieren, um einem anderen (nicht verbundenen) Unternehmen ohne Ausgleich zusätzliche Gewinne zu ermöglichen. Dies ergibt sich auch aus Abschnitt 3.64 der OECD-Guidelines 2022.

      Infolgedessen betrachten die Finanzbehörden laufende Verluste eines lokalen Unternehmens häufig als Hinweis auf nicht fremdvergleichskonforme Verrechnungspreise und starten eine genauere Prüfung, die im Einklang mit den Empfehlungen der OECD-Guidelines von 2022 (siehe Abschnitt 3.65) steht. Finanzbehörden könnten Verrechnungspreisanpassungen in Betracht ziehen, wenn nicht glaubhaft gemacht werden kann, dass unabhängige Dritte ähnliche Verluste für den geprüften Zeitraum akzeptiert hätten. Eine solche Argumentation muss die marktbezogenen und/oder lokalen organisatorischen Gründe für die Verluste berücksichtigen. Dies erfordert in der Regel auch eine Darlegung, wie das Unternehmen plant, (wieder) profitabel zu werden – und zwar anhand von budgetierten Daten, die einer kritischen Prüfung durch die Steuerbehörden standhalten können.

      Vorgehensweise der deutschen Finanzbehörden

      Nach den deutschen Verrechnungspreisregeln und -richtlinien sind bei laufenden Verlusten die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

      • Nach §. 4 Abs. 2 Nr. 5 der deutschen Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung1 muss die Verrechnungspreisdokumentation Aufzeichnungen über die Ursachen von Verlusten und über Vorkehrungen des Steuerpflichtigen oder ihm nahestehender Personen zur Beseitigung der Verlustsituation enthalten, wenn der Steuerpflichtige in mehr als drei aufeinanderfolgenden Wirtschaftsjahren aus Geschäftsbeziehungen einen steuerlichen Verlust ausweist.
      • Diese Anforderung wird in den deutschen Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise weiter konkretisiert2. Sie enthalten einen vollständigen Abschnitt über die Prüfung von Verlustsituationen (Kapitel C5). Die wichtigsten Aussagen sind im Folgenden zusammengefasst:
        • In Fällen, in denen laufende Verluste (vor Steuern) von der Gruppe toleriert (oder sogar gefördert) werden, muss das Unternehmen von den profitierenden Unternehmen entschädigt werden.
        • Die Überprüfung einer Verlustsituation sollte sich an der konkreten und individuellen Organisation der betrieblichen Abläufe orientieren – aber nicht nur die ausgeübten Funktionen, die eingegangenen Risiken und die eingesetzten Vermögenswerte betrachten, sondern auch die Verlustursachen (z. B. strategische Entscheidungen, lokales Missmanagement).
        • Wenn ein Unternehmen weder über die entsprechende Entscheidungsbefugnis zum Eingehen oder Reduzieren von Risiken noch über die finanzielle Kapazität zum Eingehen von Risiken verfügt, die als Ursache für eine Verlustsituation bestimmt wurden, sollten die daraus resultierenden Aufwendungen diesem Unternehmen steuerlich nicht zugerechnet werden. Ein Routineunternehmen sollte sich daher üblicherweise nicht über einen längeren Zeitraum in einer Verlustsituation befinden, das heißt es sollte im Allgemeinen nach mindestens fünf Jahren einen Gesamtgewinn ausweisen können. Dieser Zeitraum kann jedoch je nach den zugrunde liegenden Marktbedingungen und Umständen länger oder kürzer sein.
        • In einer Situation mit laufenden Verlusten können sich nicht fremdvergleichskonforme Verrechnungspreise wie folgt manifestieren:
          • Unangemessene Verrechnungspreise für ausgetauschte Waren und Dienstleistungen,
          • die Nichtidentifizierung (und Bepreisung) zusätzlicher Transaktionen, oder
          • das Entstehen von Kosten, die durch das Interesse anderer Unternehmen der Gruppe verursacht werden.
        • Es reicht nicht aus, den Fremdvergleichscharakter von Verrechnungspreisen durch den Verweis auf einen internen Preisvergleich für dieselben Produkte und Dienstleistungen nachzuweisen, wenn sich die zum Vergleich herangezogenen Geschäftsbeziehungen unterscheiden, wie dies auch in den fünf Vergleichbarkeitskriterien der OECD-Guidelines diskutiert wird (z. B. Marktbedingungen, Umsatz- oder Kostensituation oder vertragliche Beziehungen, wie die Verpflichtung zur Abnahme der gesamten Produktpalette).
        • Kapitalzuführungen oder kapitalersetzende Maßnahmen (z. B. Forderungsverzicht, Patronatserklärung) durch andere zum Konzern gehörende Unternehmen können als Indiz dafür gewertet werden, dass die Geschäftstätigkeit eines verlustbringenden Konzernunternehmens im (Mit-)Interesse der Unternehmensgruppe liegt.

      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass laufende Verluste nicht nur dann relevant sein können, wenn sie auf Unternehmensebene anfallen. Vielmehr kann es bereits ausreichen, dass eine bestimmte Produktgruppe über einen längeren Zeitraum hinweg Verluste erwirtschaftet, damit die deutschen Verrechnungspreisregeln greifen.

      Die in den deutschen Verrechnungspreisregeln und -richtlinien angewandte Faustregel, dass die (Anlauf-)Verluste einer Vertriebsgesellschaft in der Regel drei Jahre nicht überschreiten und die Gesellschaft nach fünf Jahren einen Gesamtgewinn ausweisen sollte, geht auf Gerichtsentscheidungen des Bundesfinanzhofs zurück3, die diese Zeiträume unter normalen Fremdvergleichsgesichtspunkten für ein Vertriebsgeschäft als akzeptabel erachtet haben.

      Fazit

      Im Falle von Dauerverlusten müssen nicht nur die tatsächlich ausgeübten Funktionen, die übernommenen Risiken und die eingesetzten Vermögenswerte dokumentiert werden, sondern auch die Ursachen der Verluste. Verfügt eine Gesellschaft weder über die entsprechenden Entscheidungsbefugnisse, um Risiken einzugehen oder zu verringern, noch über die finanzielle Leistungsfähigkeit, um die mit solchen Risiken potenziell verbundenen Kosten zu übernehmen, ist eine steuerliche Zuordnung von Risiken und den daraus resultierenden Aufwendungen zu dieser Gesellschaft grundsätzlich nicht zulässig und führt voraussichtlich zu Verrechnungspreisanpassungen durch die deutsche Finanzverwaltung.

      Um für eine solche Diskussion mit den deutschen Finanzbehörden vorbereitet zu sein, empfiehlt es sich, die landesspezifische Dokumentation (Local File) um einen Abschnitt zu ergänzen, in dem die Gründe für die Verlustsituation erläutert und die Maßnahmen zur Verbesserung der Situation beschrieben werden.

       

       

       

      1 Verordnung zu Art, Inhalt und Umfang von Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 der Abgabenordnung (Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs-Verordnung - GAufzV) vom 12. Juli 2017 (BGBl. I S. 2367)

      2 Verwaltungsgrundsätze – Verrechnungspreise 2024 vom 12. Dezember 2024 (IV B 3 - S 1341/19/10017 :004)

      3 Bundesfinanzhof Urteile vom 17. Oktober 2001 (I R 103/00, BStBl II 2004 S. 171) und 17. Februar 1993 (I R 3/92 BStBl 1993 II S. 457)

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