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      VfGH prüft, ob „public watchdogs“ bei der Registereinsicht vom WiEReG unverhältnismäßig eingeschränkt werden
       

      Anfang April 2025 wurde ein Bericht zum Gesetzesprüfungsverfahren über die Einsichtsrechte Dritter in das Register der Wirtschaftlichen Eigentümer veröffentlicht, das aufgrund der Beschwerde eines Investigativjournalisten der Zeitschrift Profil wegen Verletzung der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit vom VfGH amtswegig eingeleitet worden war.  

      Der VfGH äußerte mit Beschluss vom 11.3.2025, E 2888/2024-17, Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§ 10 und 10a WiEReG, zumal das vom Einsichtswerber nachzuweisende „berechtigte Interesse“ durch § 10 WiEReG unverhältnismäßig, in einer dem Art 10 EMRK zuwiderlaufenden Art und Weise eingeschränkt werden könnte. Die Entscheidung des VfGH in diesem Gesetzesprüfungsverfahren ist nach Einholung einer Stellungnahme der Bundesregierung derzeit noch ausständig.

       
      Hintergrund
       

      Mit Urteil des EuGH vom 22.11.2022 wurde Art. 30 Abs. 5 i. d. F. der 5. EU-Geldwäsche-Richtlinie (EU-GW-RL) aus Grundrechtserwägungen (Achtung der Privatsphäre und Schutz personenbezogener Daten) als ungültig aufgehoben. Damit war die unionsrechtliche Grundlage für den bis dahin geltenden unbeschränkten öffentlichen Zugang Dritter zu WE-Registern in allen Mitgliedstaaten und somit auch in Österreich weggefallen. Europaweit trat damit Art. 30 Abs. 5 i. d. F. der 4. EU-GW-RL wieder in Geltung, womit die Einsicht Dritter in WE-Register aller Mitgliedstaaten wieder an den Nachweis eines „berechtigten Interesses“ geknüpft wurde.

       
      1. Einsichtsrechte Dritter mit „berechtigtem Interesse“ gemäß § 10 WiEReG
       

      Mit der Neufassung des § 10 WiEReG im Rahmen der WiEReG-Novelle vom 20.7.2023, BGBl. I Nr. 97/2023 wurde die Rechtslage nach den Vorgaben dieses EuGH-Urteils in Österreich umgesetzt.

      Das zur Einsicht erforderliche „berechtigte Interesse“ für die im Anlassfall relevanten Dritte (wie Angehörige der Medien, NGOs, Wissenschaftler) setzt demnach voraus, dass ein berechtigtes Interesse im Zusammenhang mit der Verhinderung der Geldwäsche (GW), der Terrorismusfinanzierung (TF) oder der Umgehung von (EU-)Sanktionsmaßnahmen besteht.

      Ein solches berechtigtes Interesse wird bei Angehörigen von journalistischen Berufen, der Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen (z. B. NGOs) gesetzlich angenommen, die einen Bezug zur Verhütung und Bekämpfung der GW und TF oder der Umgehung von Sanktionsmaßnahmen aufweisen. Diese Antragsteller müssen für die Bewilligung der Einsicht in das WE-Register durch die Registerbehörde (BMF) folgende Nachweise erbringen:

      • einen solchen journalistischen oder wissenschaftlichen Beitrag, ODER
      • die Verpflichtung im Statut oder Mission-Statement zu solchen Tätigkeiten, ODER
      • solche konkreten bzw. erfolgreiche Aktivitäten des Antragstellers in der Vergangenheit.

      WICHTIG: Die für die Einsicht Kraft „berechtigten Interesses“ erforderlichen Nachweise müssen (im Gegensatz zu § 10 der Erstfassung des WiEReG) vom Antragsteller grundsätzlich nicht in Bezug auf den/die konkret angefragten Rechtsträger erbracht werden.

      Überdies haben Geldwäsche-Verpflichtete (wie Kredit- und Finanzinstitute, Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater) ohne Zugang zur EU-Vernetzungsplattform bzw. vergleichbare Verpflichtete aus Drittstaaten gemäß WiEReG stets ein berechtigtes Interesse nach dieser Kategorie.

      Für die Bewilligung der Einsicht in das WE-Register gemäß § 10 WiEReG muss ein elektronischer Antrag für einen/mehrere konkrete Rechtsträger an die Registerbehörde (BMF) gestellt werden. Im Fall der Bewilligung erhält der Antragsteller per E-Mail einen Link zum Abruf des WE-Auszugs gemäß § 10 WiEReG. Dieser Auszug enthält exakt die gleichen Daten wie ein früher unbeschränkt öffentlich zugänglicher WE-Auszug. Zusätzlich muss der Einsichtswerber vorab seine Identität nachweisen (primär elektronisch mit einer E-ID, z. B. mittels ID-Austria, oder mit einem vergleichbaren Nachweis).

      Organisationen (wie NGOs, Recherchenetzwerke) benötigen für die Einsicht in das WE-Register überdies ein entsprechend identifiziertes Benutzerkonto und sind verpflichtet, der Registerbehörde jede Beendigung der Zugehörigkeit/Bevollmächtigung des Antragstellers zur Organisation mitzuteilen.

      WICHTIG: Den von der Einsicht betroffenen Rechtsträgern wird jedoch weder ein rechtliches Gehör vor der Entscheidung der Registerbehörde über die Einsicht eingeräumt, noch werden sie im Nachhinein von einer bewilligten/erfolgten Einsicht verständigt, was u. E. die Möglichkeit, einen allfälligen Missbrauch wirksam bekämpfen zu können, für die Betroffenen zweifellos stark einschränkt.

      WE-Auszüge gemäß § 10 Abs. 1 WiEReG enthalten exakt jene Meldedaten, die nach den Vorgaben der geltenden 5. EU-GW-RL als Mindeststandards festgelegt wurden.

      Dagegen enthalten einfache bzw. erweiterte Auszüge gemäß § 9 Abs. 4 und 5 WiEReG, die nur für Behörden (§ 12 Abs. 1 WiEReG) und Verpflichtete (§ 9 Abs. 1 WiEReG) zugänglich sind, weitere Meldedaten, wie z. B. historische WE-Daten (§ 9 Abs. 3 WiEReG), den Zeitpunkt der letzten Meldung (§ 9 Abs. 4 Z. 7 WiEReG), die Angabe, ob der/die WE durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter festgestellt und überprüft wurden (§ 9 Abs. 4 Z. 7a WiEReG), die Angabe, ob nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten die WE nicht festgestellt und überprüft werden konnten (§ 9 Abs. 4 Z. 7c WiEReG) oder die automationsunterstützt generierte Darstellung aller bekannten Beteiligungsebenen, die für die Ermittlung der WE relevant sind (§ 9 Abs. 5 Z. 1 WiEReG) – die aber nur bei Beteiligungsstrukturen ohne Auslandsbezug, bzw. in Strukturen, an denen keine Aktiengesellschaft beteiligt ist, in den Auszügen zur Verfügung steht.

      In Daten, Unterlagen und Dokumente, die mit einem gültigen Compliance-Package gemäß § 5a WiEReG gemeinsam mit der WE-Meldung auf der sicheren Datenspeicher-Plattform der Registerbehörde hochgeladen werden, können weder Behörden (mit einziger Ausnahme der Registerbehörde) noch Dritte Einsicht nehmen; diese Informationen sind im Falle eines eingeschränkten Compliance-Packages auch nur für Verpflichtete zugänglich, denen gemäß freier Entscheidung des meldenden Rechtsträgers diese Einsicht (unbeschränkt bzw. ad hoc) gewährt wird.

       
      2. Bedenken des VfGH gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 10 WiEReG
       

      Ausgangspunkt des aktuellen Gesetzesprüfungsverfahrens war der Antrag eines Profil-Investigativjournalisten, der von der Registerbehörde die Übermittlung eines einfachen und eines erweiterten Auszugs gemäß § 9 Abs. 4 und 5 WiEReG für eine konkrete, meldepflichtige Gesellschaft beantragte, sowie Einsicht in das für diese Gesellschaft gespeicherte Compliance-Package begehrte.

      Er begründete diesen Antrag damit, es bestünde bei dieser Gesellschaft der näher ausgeführte Verdacht, dass Russland-Sanktionen der EU umgangen worden seien und die an das Register gemeldeten Daten nicht korrekt wären, womit beim Einsichtswerber ein deutlich über den Durchschnitt hinausgehendes berechtigtes Interesse vorliege. Die Offenlegung der begehrten Informationen stehe im öffentlichen Interesse, weil sie für Transparenz über die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften und in Bezug auf eine Angelegenheit sorge, die von gesellschaftlichem Interesse sei.

      Sowohl die Registerbehörde als auch das BVwG als Rechtsmittelgericht wiesen die Anträge/Beschwerde des Journalisten zurück bzw. ab, im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Einsichtswerber kein Verpflichteter gemäß § 9 Abs. 1 WiEReG sei, weshalb ihm kein über § 10 Abs. 1 WiEReG hinausgehendes Einsichtsrecht zustehe. Gegen das abweisende Erkenntnis des BVwG erhob der Journalist Beschwerde an den VfGH.

      Mit Beschluss vom 11.3.2025 erkannte der VfGH die Beschwerde vorläufig für zulässig, unterbrach das Beschwerdeverfahren jedoch, weil bei der Behandlung der Beschwerde Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§ 10 und 10a WiEReG entstanden waren.

      Demnach geht der VfGH vorläufig davon aus, dass der Zugang zu den im WE-Register enthaltenen Daten für die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit, insbesondere der Freiheit, Informationen zu erhalten und zu verbreiten, von entscheidender Bedeutung sein kann. Der VfGH stimmte auch mit dem EuGH überein, dass Garantien etabliert werden müssen, die einen wirksamen Schutz der personenbezogenen Daten der Betroffenen vor Missbrauchsrisiken ermöglichen. Demgemäß sei eine Beschränkung der Einsichtnahme in staatliche Informationen gemäß Art 10 Abs. 2 EMRK zulässig, wenn die Bereitstellung dieser Informationen für die Wahrnehmung von öffentlichen Kontrollaufgaben durch Einsichtswerber (wie z. B. public watchdogs“ oder „social watchdogs“) nicht erforderlich sei. Eine Beschränkung der Einsichtnahme sei überdies zulässig und geboten, wenn die durch § 1 Abs. 1 DSG i. V. m. Art. 8 EMRK garantierten Interessen des betroffenen Rechtsträgers bzw. von dessen wirtschaftlichen Eigentümern (WE) unverhältnismäßig beeinträchtigt würden.

      Die in Österreich erfolgte Einschränkung der Einsicht in das WE-Register auf Behörden (§ 12 WiEReG), Verpflichtete (§ 9 WiEReG) und Personen (Dritte), die ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen können, wurde vom VfGH als grundsätzlich zulässig qualifiziert.

      Der VfGH hegt jedoch Bedenken, dass das von Dritten nachzuweisende „berechtigte Interesse“ gemäß § 10 Abs. 2 WiEReG unverhältnismäßig und daher in einer dem Art. 10 EMRK zuwiderlaufenden Art und Weise eingeschränkt werde. Für den VfGH erscheint es vorläufig als mit Art. 10 EMRK unvereinbar, Dritten nur dann Einsicht in das Register einzuräumen, wenn dies zu den in § 10 Abs. 2 WiEReG genannten (eingeschränkten) Zwecken erfolgt und es dementsprechend nicht genüge, dass Einsichtswerber (irgend)ein berechtigtes Interesse iSd Art. 10 EMRK geltend machen können.

      Der VfGH geht auch vorläufig davon aus, dass § 10 WiEReG das Einsichtsrecht für Personen mit berechtigtem Interesse unverhältnismäßig beschränken dürfte, zumal von § 10 Abs. 1 WiEReG nicht erfasste Daten Informationen von öffentlichem Interesse sein können, die zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Dies dürfte laut VfGH bei den oben in Punkt 1.) beispielhaft aufgezählten Daten der Fall sein, die zwar in einfachen bzw. erweiterten Auszügen gemäß § 9 Abs. 4 und Abs. 5 WiEReG, nicht aber in Auszügen gemäß § 10 WiEReG enthalten sind.

      Für den VfGH ist vorläufig auch nicht erkennbar, weshalb vom Gesetzgeber die Einsichtsrechte von Verpflichteten (§ 9 WiEReG) aktuell umfassender ausgestaltet wurden als jene von Dritten mit berechtigtem Interesse (§ 10 WiEReG), was gemäß der vorläufigen Auffassung des VfGH gegen das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit gemäß Art. 10 i. V. m. Art. 14 EMRK bzw. den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 2 StGG und Art. 7 BVG verstoßen könnte.

      Im aktuellen Gesetzesprüfungsverfahren wird der VfGH klären, ob Personen (Dritten) mit berechtigtem Interesse gemäß § 10 WiEReG tatsächlich Einsicht in sämtliche in § 9 WiEReG aufgelisteten Daten zu gewähren ist, wobei er bei der Abwägung des Grundrechts auf Informations- und Meinungsfreiheit gegenüber dem Grundrecht auf Datenschutz auch zu berücksichtigen haben wird, ob und weshalb der Gesetzgeber in anderen Gesetzen als dem WiEReG bestimmte Dokumente/Daten von der allgemeinen oder beschränkten Einsicht ausgenommen hat.

      Der VfGH hat den Gesetzgeber zur Abgabe einer Stellungnahme zu diesem Verfahren aufgefordert, die von der Bundesregierung am 28.5.2025 im Ministerrat beschlossen und an den VfGH übermittelt wurde. Das Bundeskanzleramt hat die von uns angefragte Übermittlung dieser Stellungnahme zuletzt aber leider unter Hinweis auf die Amtsverschwiegenheit zum Schutz des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung vor dem Abschluss des Verfahrens abgelehnt.

       
      3. Ergebnis
       

      Die mit Spannung zu erwartende finale Entscheidung des VfGH im Gesetzesprüfungsverfahren über die Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlich ausgestalteten Einsichtsrechte in das WE-Register wird zweifellos Auswirkung auf die dem WiEReG unterworfenen Rechtsträger und deren WE haben. Entscheidend ist dabei die Frage, ob für das von Dritten nachzuweisende berechtigte Interesse „nur“ Bezüge zu den Gesetzeszwecken des WiEReG (Prävention von GW, TF und Umgehung von (EU-)Sanktionsmaßnahmen) geeignet sind oder auch weitere „berechtigte Interessen“ gemäß Art. 10 EMRK berücksichtigt werden müssen, wie die Eignung der begehrten Informationen als Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse.

      Darüber hinaus wird die Entscheidung des VfGH, ob die Einsichtsrechte von Dritten mit berechtigtem Interesse künftig an jene der Verpflichteten angeglichen werden müssen, wohl auch davon abhängen, ob die in den Materiengesetzen der Verpflichteten (z. B. FM-GwG, RAO, NO, WTBG, GewO) detailliert geregelten Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflichten, die von Aufsichtsbehörden streng überwacht werden, gegenüber den öffentlichen Kontrollaufgaben von „public watchdogs“ und „social watchdogs“ bei der Grundrechtsabwägung als gleichwertig oder relevant unterschiedlich eingestuft werden.

      Der künftige Zugang von Dritten mit berechtigtem Interesse zu den in Compliance-Packages gemäß § 5a WiEReG gespeicherten Informationen, Daten und Unterlagen erscheint u. E. jedoch nach der vorliegenden Begründung des VfGH zum aktuellen Gesetzesprüfungsverfahren als (nahezu) ausgeschlossen, zumal die Einsicht in diese freiwillig hochgeladene WE-Dokumentation auch für Behörden (§ 12 Abs. 1 WiEReG) generell nicht zugänglich ist und nur für vom Rechtsträger selbst bestimmten Verpflichteten zugänglich gemacht werden kann. Daher empfehlen wir weiterhin die gesetzlich verpflichtenden WE-Meldungen gemeinsam mit eingeschränkten, gültigen Compliance-Packages an das WE-Register zu übermitteln.

      Christiane Edelhauser

      Senior Managerin, Tax, Wien

      KPMG Austria

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