Seit dem Ausbruch von COVID-19 wurden Entscheidungsprozesse eingehend auf den Prüfstand gestellt. Die Möglichkeit einer Pandemie war in keiner der gängigen Prognosemethoden berücksichtigt. Entscheidungsträger waren deshalb nicht auf die Minderung der pandemiebedingten Risiken vorbereitet. Dieses Versäumnis zeigt, wie wichtig eine rasche Einführung von Prescriptive Analytics für Unternehmen ist. Aber welche Probleme können dabei auftreten und wie können Sie sicherstellen, dass Sie dadurch zu robusteren Entscheidungen gelangen?
Was sind Descriptive Analytics und Prescriptive Analytics?
Descriptive Analytics ermöglicht Fachexperten, durch Anwendung von Tools zur Datenexploration und -visualisierung aus historischen Daten Erkenntnisse zu gewinnen. Dabei werden Dashboards und Business-Intelligence-Berichte verwendet.
Predictive Analytics umfasst eine Reihe von Methoden und Tools, die automatisch Muster in historischen Daten identifizieren – unabhängig davon, ob es sich dabei um unternehmensinterne oder von einer externen Quelle bezogene Daten handelt – und Prognosen erstellen.
Prescriptive Analytics kombiniert Prognosen (Predictive Analytics) mit mathematischer Optimierung, Operations Research und Entscheidungswissenschaften, um die beste Vorgehensweise zu ermitteln.
Welche Probleme stellen sich bei der Einführung von Prescriptive Analytics?
Wer Entscheidungen verbessern will, die auf Prognosen beruhen, muss zwei Probleme berücksichtigen: Erstens müssen die Grenzen von Prognosetechniken bekannt sein und verstanden werden und zweitens müssen Prognosen besser genutzt werden, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Problem 1: Prognosemodelle können die Zukunft nicht vorhersagen
Prognosen, die von den ausgereiftesten Modellen maschinellen Lernens auf der Grundlage historischer Daten erstellt werden, beruhen auf starken Annahmen und sind nicht unfehlbar. Schauen wir uns ein aktuelles Beispiel an. Pandemien sind in der Geschichte der Menschheit schon häufiger ausgebrochen. Sie mögen selten sein, aber uns ist bekannt, dass sie auftreten. Dennoch waren die meisten Unternehmen nicht auf die Folgen des COVID-19-Ausbruchs eingestellt.
Das wirft die Frage auf, ob von einem mathematischen Modell erwartet werden kann, den Zeitpunkt, die Dauer und das Ausmass von COVID-19 genau vorherzusagen. Die Antwort lautet: wahrscheinlich nicht. In Wirklichkeit haben die branchen- und funktionsübergreifend eingesetzten Prognosesysteme – vom Lieferkettenmanagement über den Vertrieb bis hin zum Finanzwesen – das Risiko eines solchen Ereignisses überhaupt nicht berücksichtigt. Das liegt hauptsächlich daran, dass eine Pandemie solchen Ausmasses in der jüngeren Geschichte – das heisst in dem Zeitrahmen, der zu Prognosezwecken analysiert wurde – nicht vorgekommen ist. Ebenso könnte es sein, dass Prognosesysteme andere bedeutende Ereignisse, wie geopolitische Risiken oder widrige Wetterereignisse, nicht vorhersagen. Auf der Grundlage historischer Daten erstellte Prognosen sind möglicherweise nur so lange richtig, wie das Wirtschafts- und Wettbewerbsumfeld genauso bleibt, wie in den Daten der Vergangenheit dargestellt. Das ist aber gewöhnlich nicht der Fall.
Letztendlich ist es unmöglich, die Zukunft vorherzusagen. Entscheidungsträger müssen dies als Tatsache anerkennen und lernen, mit der Unsicherheit umzugehen.
Problem 2: Auch wenn Prognosen richtig sind, ist es schwer, die richtige Entscheidung zu treffen
Auch bei unfehlbaren, 100 Prozent zutreffenden Prognosen wäre es immer noch schwierig, die richtige Entscheidung zu treffen. Wenn Sie Prognosen in Entscheidungen «übersetzen» wollen, müssen Sie einen Entscheidungsprozess als mathematisches Optimierungsproblem formulieren. Genau das ist Prescriptive Analytics.
Zur ordnungsgemässen Beschreibung eines mathematischen Optimierungsproblems muss eine Zielfunktion festgelegt werden, in der das vom Unternehmen angestrebte Ziel und eine Reihe von Beschränkungen zum Ausdruck kommen. Ein Beispiel aus dem Alltag ist die Routenplanung, bei der ein Algorithmus den besten Weg von A nach B berechnet. Die Strecke kann auf verschiedene Weise und mit verschiedenen Zielen formuliert werden – zum Beispiel eine möglichst kurze Strecke oder Fahrzeit und eine Reihe von Beschränkungen wie Strassennetz, Verkehrsdichte, Geschwindigkeitsbeschränkungen und Baustellen.
Es ist schwierig, alle vorhandenen Wechselbeziehungen zu erfassen: Die Formulierung eines mathematischen Optimierungsproblems mag einfach erscheinen, aber die Festlegung einer objektiven Zielfunktion und einer Reihe von Beschränkungen, die alle möglichen Wechselbeziehungen erfassen, ist äusserst komplex. Nehmen wir die Produktionsplanung als Beispiel: Dabei muss nicht nur sichergestellt werden, dass die Ressourcen voll ausgelastet sind, sondern auch, dass genügend Zeit für die Durchführung von vorbeugenden Wartungsarbeiten bleibt – und gleichzeitig müssen faire Zeitpläne für den Einsatz der Mitarbeitenden gewährleistet und deren Urlaubspläne berücksichtigt werden.
Mangel an Kompetenzen im Bereich mathematische Optimierung: Der erfolgreiche Einsatz von Prescriptive Analytics ist auch davon abhängig, dass ein umfassendes Know-how über Methoden vorhanden ist, unter anderem über mathematische Optimierungstechniken, Operations Research und Entscheidungswissenschaften. Mit anderen Worten: Neben maschinellem Lernen und Prognosen muss man sich auch mit verschiedenen Arten von Mathematik auskennen.
Wie können Sie fundiertere Entscheidungen treffen?
Die Zukunft lässt sich – wie gesagt – nicht vorhersagen. Wie also gehen Sie mit Unsicherheit in Ihren Prognosen um? Wie gehen Sie mit Risiken um, die Ihre Daten möglicherweise nicht widerspiegeln und die von Ihren Prognosesystemen nicht erkannt werden? Ihr Ziel ist, das Risiko seltener Ereignisse so zu steuern, dass Sie fundiertere Entscheidungen treffen und Ihr Unternehmen so positionieren können, dass es nicht nur auf Störungen reagieren, sondern diese nutzen kann, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Im Wesentlichen führen Sie drei Möglichkeiten zum Ziel:
1. Anwendung probabilistischer Modelle und explizite Quantifizierung von Risiken
Probabilistische Modelle sind ein Ansatz, bei dem Unsicherheit explizit als Wahrscheinlichkeitsverteilung quantifiziert wird: In diesen Modellen werden Inputvariablen (siehe Beispiele unten) als Wahrscheinlichkeitsverteilungen ausgedrückt; auch der Output eines probabilistischen Modells (Nachfrage nach Glacé im folgenden Beispiel) ist eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Probabilistische Modelle bieten einen Modellierungsrahmen, mit dem Störfaktoren wie Pandemien, widrige Wetterbedingungen und abrupte Änderungen im Konjunkturumfeld einbezogen werden können. Die Modellierung seltener Ereignisse und Katastrophen wird zum Bestandteil des täglichen Entscheidungsprozesses, was wiederum zu robusteren Prognosen beiträgt.
2. Anreicherung historischer Daten mit fachlichem Know-how
Wichtige Inputs können anhand von historischen Daten, über die Sie bereits verfügen, oder aus von Dritten erhaltenen externen Daten geschätzt werden. Daten können jedoch ein verzerrtes oder unvollständiges Bild wiedergeben. Erarbeiten Sie einen systematischen Prozess zur Sammlung und Erfassung des Wissens, das Ihre Fachexperten intern und aus Gesprächen mit Kunden oder Lieferanten sowie aus Marktumfragen, Wettbewerbsforschung oder Nachrichtenartikeln gewonnen haben. Diese Informationen können die aus historischen Daten gewonnenen Erkenntnisse ergänzen.
Beim Einholen der Meinungen von Fachexperten ist es entscheidend, die Quellen und das Vertrauen, das die Fachexperten in ihre Schätzungen haben, nachverfolgen zu können. Je transparenter die Geschäftsannahmen, desto grösser das Vertrauen in und den Einsatz von Prescriptive Analytics.
3. Brainstorming betreffend adverse Szenarien und Durchführung von Stresstest-Simulationen
Probabilistische Modelle ermöglichen rigorose Simulationen. Durch die Nutzung des Wissens von Fachexperten und Brainstormings bezüglich Risiken, können Szenarioanalysen entwickelt werden, die Unternehmen einem Stresstest unterziehen die über das Geschäfts- und Wettbewerbsumfeld hinausgehen, welche in den verfügbaren historischen Daten reflektiert werden. Die im Rahmen von Prescriptive Analytics verwendeten Modelle sollten optimale Lösungen generieren, die sich auch in adversen Szenarien als robust erweisen. Mit einer Szenarioanalyse entwickeln sich Entscheidungsprozesse von der einfachen Extrapolation der Vergangenheit hin zur aktiven Unterstützung von kontinuierlichen Verbesserungen und Risikomanagement.
Wer es richtig macht, kann erheblichen Mehrwert erzielen
rescriptive Analytics hat das Potenzial, die Rentabilität und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Mit ihr verfügen Anspruchsgruppen über ein Instrumentarium, um optimale Entscheidungen zu treffen, die datengestützt sind, aber auch das Wissen der Fachexperten einbeziehen. Die Integration von Szenarioanalysen und Katastrophenmodellen ermöglicht robustere, fundiertere Entscheidungen und führt damit zu qualitativ besseren Ergebnissen.
Wenn Sie über den Nutzen Ihrer aktuellen Modelle und die Stärkung Ihrer Entscheidungsprozesse angesichts der inhärenten Unsicherheiten um uns herum nachdenken, sollten Sie sich fragen, welchen Wert Prescriptive Analytics haben könnte – und wie Sie den Prozess zur Wertschöpfung für Ihr Unternehmen einsetzen könnten.