8. November 2023
Der Kanton Waadt hinkt bei der Besteuerung von natürlichen Personen hinterher
- Natürliche Personen zahlen im Kanton Waadt nach wie vor ungewöhnlich hohe Einkommens- und Vermögenssteuern.
- Trotz der in den letzten Jahren eingeführten Abzüge hat sich die steuerliche Lage von natürlichen Personen im Waadtland im interkantonalen Vergleich seit der letzten Veröffentlichung des Steuermonitors verschlechtert.
- Die vor kurzem vom Grossen Rat beschlossene Senkung der kantonalen Einkommenssteuer um 3,5 % trägt kaum etwas zur steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit des Kantons in Bezug auf natürliche Personen bei.
- Der Gewinnsteuersatz für Unternehmen liegt im Kanton Waadt bei 14 % und damit leicht unter dem Schweizer Durchschnitt (14,6 %).
- Im Rahmen der bevorstehenden Umsetzung der globalen Mindeststeuer von 15 % hat der Kanton Waadt beschlossen, eine progressive Besteuerung von 14,7 % des steuerbaren Nettogewinns von Unternehmen einzuführen. Diese Besteuerung gilt ab 2025 und wird ab einer Nettogewinnschwelle von CHF 10 Millionen erhoben. Der Kanton Waadt muss neue Massnahmen entwickeln, um seine Attraktivität aufrechtzuerhalten.
Mit dem Waadtländer Steuermonitor untersuchen KPMG und die Industrie- und Handelskammer Waadt (CVCI) die steuerliche Attraktivität des Kantons Waadt für juristische und natürliche Personen. Bei der Besteuerung juristischer Personen liegt der ordentliche Gewinnsteuersatz im Kanton Waadt leicht unter dem Schweizer Durchschnitt, bei der Besteuerung natürlicher Personen hinkt der Kanton jedoch nach wie vor hinterher. Die gesamten kantonalen Steuereinnahmen sind von CHF 6'044 Millionen (2016) auf CHF 6'750 Millionen (2022) angestiegen.
Die Waadt – ein attraktiver Unternehmensstandort
Mit einem Gewinnsteuersatz für Unternehmen von 14% liegt der Kanton Waadt leicht unter dem Schweizer Durchschnitt von 14,6%. Wie in anderen Kantonen profitieren auch Waadtländer Unternehmen von einer Reihe von Steueranreizen, die im Rahmen der Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) eingeführt wurden. Dank dieser Massnahmen können Waadtländer Unternehmen ihren Gewinnsteuersatz um bis zu 11,03% senken (Schweizer Durchschnitt: 10,95%).
Einführung der globalen Mindeststeuer und Auswirkungen auf den Kanton Waadt
Im Rahmen der Einführung der globalen Mindeststeuer (Pillar 2) hat der Kanton Waadt die Einführung eines progressiven Gewinnsteuersatzes per 2025 beschlossen. Somit gilt nach wie vor ein effektiver Steuersatz von 14% für die steuerbaren Gewinne von bis zu CHF 10 Millionen, während für alle über dieser Schwelle liegenden Gewinne ein Steuersatz von 14,7% gilt.
Angesichts der Tatsache, dass nur 2,4% der Waadtländer Unternehmen einen steuerbaren Nettoertrag von über CHF 1 Million ausweisen (den kantonalen Statistiken lässt sich nicht entnehmen, wie hoch der Prozentsatz der Unternehmen ist, die einen Ertrag von über CHF 10 Millionen erzielen), betrifft diese Erhöhung nur sehr wenige Unternehmen.
Die bekannten Steueranreize des Kantons Waadt wie temporäre Steuerbefreiungen und STAF-Massnahmen gelten auch weiterhin für diejenigen Waadtländer Unternehmen, die nicht unter die globale Mindeststeuer fallen. Bei Unternehmen, für die Pillar 2 massgeblich ist, besteht hingegen die Gefahr, dass diese Steueranreize verloren gehen.
«Im Kanton Waadt steht somit die Ausarbeitung neuer Massnahmen an. Sie dürfen keine oder zumindest nur geringfügig negative Auswirkungen auf die globale Mindeststeuer haben. Dies bedeutet, dass sie von der OECD und der EU mitgetragen werden müssen», so der Kommentar von Vincent Thalmann, Standortleiter Genf und Leiter Corporate Tax Westschweiz bei KPMG.
Grössere Steuerlast für natürliche Personen
Im Gegensatz zur Unternehmensbesteuerung hat sich bei der Besteuerung natürlicher Personen in den letzten Jahren kaum etwas geändert. Der Durchschnitt der maximalen Einkommensteuersätze hat sich in der Schweiz praktisch nicht bewegt. Im Jahr 2007 lag er bei 34,9%, mit 33,45% im Jahr 2023 liegt er nahezu auf demselben Niveau.
Der Kanton Waadt praktiziert einen der höchsten Steuersätze der Schweiz: Die Obergrenze für den Einkommenssteuersatz natürlicher Personen beträgt 41,50%. Nur die Kantone Genf (44,47%) und Basel-Landschaft (42,17%) kennen in diesem Zusammenhang noch höhere Spitzensteuersätze.
Der Kanton Waadt gehört zu den Schweizer Kantonen, welche die Einkommen am empfindlichsten besteuern – und in denen vom Mittelstand bis zu den oberen Schichten alle Einkommensklassen betroffen sind. «Obwohl in den letzten Jahren zahlreiche Abzugsmöglichkeiten eingeführt wurden, zeigen die Erhebungen im Zusammenhang mit den einzelnen Ausgaben des Waadtländer Steuermonitors, dass die Lage der Waadtländer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sich im interkantonalen Vergleich tendenziell und auf breiter Front verschlechtert», wie Janick Pochon, Leiterin Unternehmensbesteuerung für den Kanton Waadt bei KPMG, erklärt. So hat eine Familie mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen von CHF 125'000, d.h. vor sämtlichen Steuer- oder Sozialabzügen, fast doppelt so hohe Steuern zu entrichten wie eine Familie in Genf (+91%) oder Zürich (+86%).
Auch bei der Vermögenssteuer gehört der Kanton Waadt schweizweit zu den Kantonen mit den höchsten Steuersätzen. Neben der Positionierung spielt auch das Steuersatzgefälle von Kanton zu Kanton eine entscheidende Rolle. So zahlt eine Familie mit zwei Kindern und einem Nettovermögen von CHF 150’000 in der Waadt das Fünfzehnfache an Vermögenssteuern gegenüber dem Kanton Genf oder das Achtfache gegenüber dem Kanton Zürich.
Steuersenkung von 3,5 % an den Urnen, Initiative «-12 %» – kaum Änderungen
«Der Kanton Waadt erhebt im interkantonalen Vergleich die höchsten Steuern. Dies wirkt abschreckend auf alle Steuerpflichtigen und insbesondere auf die sehr leistungsfähigen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Es besteht ein reales Abwanderungsrisiko; Versuche, neue Steuerzahlerinnen und Steuerzahler anzuziehen, lassen dagegen auf sich warten. Die Initiative «Baisse d'impôts pour tous – Steuersenkungen für alle», die eine Steuersenkung von 12% vorsieht, würde unsere Position im interkantonalen Vergleich zwar nicht grundlegend ändern, die Lage der Waadtländer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dagegen deutlich erleichtern», wie Philippe Miauton, Direktor der CVCI, betont. Die im Grossen Rat beschlossene Steuersenkung von 3,5% hat einen minimen Einfluss auf die Stellung des Kantons Waadt gegenüber den anderen Kantonen, nicht zuletzt, weil das Vermögen davon ausgeschlossen bleibt. «Eine umfassende Reform der Besteuerung natürlicher Personen ist daher angezeigt.»
Der «Waadtländer Steuermonitor»
Der in der Regel in zweijährigen Abständen veröffentlichte «Waadtländer Steuermonitor» zeigt die steuerliche Attraktivität des Kantons Waadt im interkantonalen Vergleich, wobei vor allem die Nachbarkantone berücksichtigt werden. Er analysiert die Attraktivität des Kantons in Bezug auf die Unternehmensbesteuerung und seine Positionierung bei der Besteuerung natürlicher Personen. Der Waadtländer Steuermonitor ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von KPMG und der Waadtländer Industrie- und Handelskammer (CVCI).