23-10-2023
Handels- und Steuerrecht sind durch das Massgeblichkeitsprinzip aneinander geknüpft. Bei Abklärungen sollten daher immer beide berücksichtigt werden.
Das Spannungsfeld zwischen Handelsrecht und Steuerrecht
Aufgrund des Massgeblichkeitprinzips ist das Handels- und das Steuerrecht miteinander verbunden. Daher ist es sinnvoll, bei grösseren Transaktionen immer beide Seiten zu prüfen. Zukünftig wird auch die Behandlung unter IFRS an Wichtigkeit gewinnen, da die Verbuchung Einfluss auf BEPS Säule 2 Berechnungen hat.
Grundlagen
Basierend auf Art. 58 Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) richtet sich der steuerbare Reingewinn nach dem Saldo der Erfolgsrechnung. Im Grundsatz richtet sich das steuerbare Ergebnis daher nach dem Handelsrecht beziehungsweise nach dem handelsrechtlich verbuchten Ergebnis.
Massgeblichkeit und umgekehrte Massgeblichkeit
Das sogenannte Massgeblichkeitsprinzip bedeutet somit, dass nur Aufwand und Ertrag, der auch effektiv verbucht wurde, steuerlich abzugsfähig bzw. steuerbar ist. Von diesem Prinzip kann nur abgewichen werden, wenn das Steuergesetz eine Abweichung ausdrücklich vorsieht. Dies ist beispielsweise bei nicht (mehr) geschäftsmässig begründeten Rückstellungen (Art. 63 Abs. 2 DBG) oder wiedereingebrachten Abschreibungen (Art. 62 Abs. 4 DBG) der Fall.
Es sind umgekehrt jedoch auch Sachverhalte denkbar, bei denen das Steuerrecht das Handelsrecht beeinflusst. Es wird versucht, einen Sachverhalt dem Steuerrecht entsprechend abzubilden, um zum gewünschten steuerbaren Ergebnis zu kommen. Dabei wird von einer umgekehrten Massgeblichkeit gesprochen.
Beispiele für die gegenseitige Beeinflussung sind vielseitig, die folgende Aufzählung ist daher nicht als abschliessend zu betrachten:
- Ein einfaches Beispiel sind Wertberichtigungen von Warenlagern und Debitoren, für die häufig die steuerlich zulässigen Pauschalen (z.B. sog. Warendrittel, Kreisschreiben der ESTV vom 26. November 1951 betreffend Abschreibungen auf Warenlagern in der VII. Wehrsteuerperiode) angewendet werden. Die geringere Wertminderung ist meist unerheblich, da stille Reserven sowohl aus handelsrechtlicher als auch aus steuerrechtlicher Sicht akzeptiert sind.
- Das Kreisschreiben 37A vom 4. Mai 2018 zur Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungen bei der Arbeitgeberin stellt das Massgeblichkeitsprinzip in den Vordergrund, gibt aber auch detailliert vor, welche buchhalterische Behandlung für Steuerzwecke erlaubt ist. Nicht alle Wahlmöglichkeiten gemäss Handelsrecht sind jedoch gemäss Kreisscheiben für die Steuern umsetzbar.
- Um die Steuerneutralität bei Umstrukturierungen zu gewähren, wird in Art. 61 Abs. 1 DBG eine Fortführung von Buchwerten bzw. Gewinnsteuerwerten bei der übernehmenden Gesellschaft vorgeschrieben. Insbesondere bei altrechtlichen Spaltungen ist eine solche Fortführung im Handelsrecht möglich, aber nicht immer gegeben, weshalb eine enge Abstimmung der Verbuchung zwischen Buchhaltungs- und Steuerspezialisten zwingend ist.
- Das Handelsrecht unterscheidet nicht zwischen Dividenden und Substanzdividenden. Es handelt sich dabei um ein rein steuerliches Konstrukt. Aus steuerlicher Sicht fragt sich daher, ob die mit der Substanzdividende zusammenhängende Abschreibung brutto (d.h. separat von der Dividende) oder netto (direkt mit der Dividende verrechnet) verbucht werden sollte. Dies vor allem unter Berücksichtigung des Risikos von wiedereingebrachten Abschreibungen (Art. 62 Abs. 4 DBG). Handelsrechtlich ist eine Verbuchung brutto Pflicht ausser in ausgewählten Ausnahmen.
Fazit
Aufgrund des hier beschriebenen Spannungsfeldes zwischen Handelsrecht und Steuerrecht sollten bei grösseren oder ungewöhnlichen Transaktionen immer beide Aspekte gleichzeitig analysiert und fortlaufend überprüft werden. Dies ermöglicht die Vermeidung von späteren Überraschungen. Insbesondere wenn Steuerentscheide eingeholt werden, sollte sichergestellt sein, dass diese sich auch handelsrechtlich umsetzen lassen.
Abschliessend soll noch erwähnt werden, dass zukünftig nicht nur ein Spannungsfeld zwischen Handelsrecht und Steuerrecht bestehen wird, sondern auch, dass die Behandlung von Transaktionen unter internationalen Rechnungslegungsstandards an Wichtigkeit gewinnen wird. Dies vor dem Hintergrund von BEPS Säule 2 und der Berechnung des relevanten Steueraufwandes je Gesellschaft. Grössere oder ungewöhnliche Transaktionen sollten daher aus einer handelsrechtlichen, steuerlichen und internationalen Rechnungslegungssicht betrachtet werden.